Zusammenfassung:
Der I. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Aktivierung eines zweiten
WLAN-Signals
auf dem
von einem Telekommunikationsdienstleister
seinen Kunden
zur Verfügung gestellten WLAN-Router
, das von Dritten genutzt werden kann,
wettbewerbsrechtlich zulässig
ist, wenn
den Kunden ein Widerspruchsrecht
zusteht, die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals ihren Internetzugang nicht
beeinträchtigt und auch sonst keine Nachteile, insbesondere keine Sicherheits-
und Haftungsrisiken oder Mehrkosten mit sich bringt.
Sachverhalt:
Die Beklagte bietet
Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie stellt den Kunden ihrer
Internetanschlussleistungen auf Wunsch kostenfrei einen WLAN-Router zur
Verfügung, der gegen unberechtigten Zugang Dritter durch eine mit einem
Passwort geschützte Verschlüsselung gesichert ist. Der Router verbleibt im
Eigentum der Beklagten. Anfang 2016 teilte die Beklagte ihren Kunden mit, sie
werde zur Erstellung eines flächendeckenden WLAN-Netzes die Konfiguration der
WLAN-Router dahin ändern, dass ein separates WLAN-Signal aktiviert werde, das
Dritten einen Zugang zum Internet eröffne. Die Klägerin, eine qualifizierte
Einrichtung nach § 8 III Nr. 3 UWG, sieht in dieser
unaufgeforderten Einrichtung eines Wifi-Spots bei Verbrauchern eine unzumutbare
Belästigung und eine aggressive Geschäftspraktik.
Bisheriger Prozessverlauf:
Die
Klägerin verlangt von der Beklagten Unterlassung der Aktivierung des separaten
WLAN-Signals, wenn dies mit den Verbrauchern nicht vertraglich vereinbart
worden ist und diese kein Einverständnis erklärt haben. Das Landgericht hat die
Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten
hatte Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Berufungsgericht hat
angenommen, die Aktivierung eines zusätzlichen Signals beeinträchtige die
geschuldete Vertragsleistung nicht. Eine mögliche Belästigung durch die
einseitige Aufschaltung des zweiten WLAN-Signals sei jedenfalls nicht
unzumutbar, weil die Kunden dem jederzeit - auch nachträglich - widersprechen
könnten. Eine aggressive Geschäftspraktik liege nicht vor.
Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals stellt keine Belästigung im Sinne von § 7 I 1 UWG dar. Die geschuldete Vertragsleistung - Zugang zum Internet - wird durch das zweite WLAN-Signal nicht beeinträchtigt. Ein ausschließliches Nutzungsrecht der im Eigentum der Beklagten stehenden Router durch die Kunden, das einer Nutzung der Router auch durch die Beklagte entgegenstehen könnte, sehen die Verträge über Internetzugangsleistungen nicht vor. Der ungestörte Gebrauch des Routers durch die Kunden wird weder durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals noch durch dessen Betrieb beeinträchtigt.
In der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine aufgedrängte Dienstleistung. Die Beklagte eröffnet ihren Kunden mit der Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals auf deren Routern zwar die Möglichkeit, die Leistungen der Beklagten auch über die Wifi-Spots anderer Kunden zu nutzen. Die Klägerin möchte der Beklagten aber nicht das Angebot dieser zusätzlichen Leistung, sondern allein die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals verbieten lassen. In der Aktivierung dieses Signals liegt für sich genommen keine Dienstleistung der Beklagten gegenüber dem Besitzer des Routers.
Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung im Sinne von § 7 I 1 UWG darstellt. Die Aktivierung ist ein ausschließlich technischer Vorgang, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinerlei Nachteile für die Kunden mit sich bringt. Sie erfordert weder einen mit Störungen verbundenen Besuch bei den Kunden noch deren Mitwirkung. Der Internetzugang der Kunden wird durch die Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht beeinträchtigt. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Sicherheit der Kunden oder durch die erweiterte Nutzung des Routers verursachte Mehrkosten zu Lasten der Kunden hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Für die Kunden besteht auch nicht das Risiko, für von Dritten über das zweite WLAN-Signal begangene Rechtsverletzungen zu haften.
Gegen eine Belästigung im Sinne von § 7 I 1 UWG spricht schließlich das zeitlich uneingeschränkte Widerspruchsrecht der Kunden. Sie können die Nutzung der ihnen zur Verfügung gestellten Router durch Dritte über ein von der Beklagten betriebenes zusätzliches WLAN-Signal jederzeit durch einen Widerspruch kurzfristig - spätestens zum übernächsten Werktag - beenden.
Selbst wenn in der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals eine Belästigung läge, fehlte es an der Unzumutbarkeit der Belästigung. Rechtlich geschützte Interessen der Kunden werden im Zuge der Aktivierung des zweiten WLAN-Signals nicht verletzt. Gegen die Unzumutbarkeit einer Belästigung spricht ferner das jederzeitige Widerspruchsrecht der Kunden. Die Freischaltung des zweiten WLAN-Signals ist auch nicht mit der in § 7 II Nr. 3 UWG geregelten und nur bei Vorliegen einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Adressaten zulässigen E-Mail-Werbung vergleichbar, weil sie nicht zu ähnlichen Beeinträchtigungen führt.
Eine aggressive Geschäftspraktik im Sinne von § 4a I UWG liegt schon deshalb nicht vor, weil den Kunden ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht zusteht und ihre Entscheidungsfreiheit daher nicht beeinträchtigt wird.Hinweis: Jura für alle bietet weder Rechtsberatung noch Rechtsdienstleistungen an. Wir prüfen keine Einzelfälle tatsächlich oder rechtlich, sondern wollen Interessierten und der Allgemeinheit Rechtsfragen verständlich erörtern und darstellen.
Jeder Ihrer Kommentare macht Jura für alle noch besser. Dafür bedanken wir uns herzlich!
Wenn Sie Ihre Kontaktdaten hinterlassen haben, werden wir Ihnen umgehend antworten.
It's the coding, stupid!
Es scheinen technische Probleme aufgetreten zu sein. Dafür entschuldigen wir uns.
Wir hoffen, Ihre Anmerkung damit dennoch nicht verloren zu haben, und würden uns freuen, wenn Sie uns direkt unter "info@jurafueralle.de" kontaktieren würden. Für Ihre Kommentare haben wir immer ein offene Ohr.
Vielen Dank!